Meinung

Der seit 13 Jahren andauernde Krieg in Syrien sollte eine Warnung für die Ukraine sein

Sobald die USA sich mit ihren Zähnen in einem bestimmten Land festgebissen haben, lassen sie es so leicht nicht mehr los. Dabei ist es egal, ob dieses Land Freund oder Feind ist – es wird in beiden Fällen ausgelaugt, gebrochen und ruiniert zurückbleiben.
Der seit 13 Jahren andauernde Krieg in Syrien sollte eine Warnung für die Ukraine seinQuelle: Sputnik © Vladimir Gerdo

Von Rachel Marsden

Der "März-Wahnsinn" ist eine typische Angelegenheit der NATO. Das westliche Militärbündnis löste in der Vergangenheit gern jeweils in diesem Monat regelmäßig Konflikte in anderen Ländern aus. Im Jahr 1999 in Serbien, dann 2003 im Irak, später im Jahr 2011 in Libyen und in Syrien. Im letzteren Fall dauerte es zwar einige Jahre, bis die USA dann tatsächlich mit eigenen Truppen einmarschierten, aber die Sanktionen gegen Syrien und die verdeckte Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte begannen unmittelbar im März 2011.

Man erinnere sich an Baschar al-Assad, den syrischen Präsidenten, von dem es immer hieß, dass er "gehen muss". So gut wie alle westlichen Politiker haben diese Forderung gestellt. Vom damaligen britischen Premierminister David Cameron über den damaligen US-Außenminister John Kerry bis hin zum damaligen italienischen Außenminister Paolo Gentiloni Silveri. Und was ist letztlich mit Assad geschehen? Er führt bis heute noch ein Leben als Präsident von Syrien, während sein Name den Enthusiasten von Regimewechseln kaum noch über die Lippen kommt.

Fast ein Jahrzehnt nach Beginn der Propagandakampagne zur Unterstützung der durch die USA angeführten Destabilisierung Syriens bestätigte im Jahr 2020 der Sondergesandte des US-Außenministeriums für Syrien, der Botschafter James Jeffrey, dass die USA keinen Sturz von Baschar al-Assad mehr anstreben würden. Stattdessen wolle man "eine dramatische Verhaltensänderung" anstreben, was die "Transformation" Japans in Erinnerung ruft, nachdem die USA gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zwei "spezielle" Bomben auf das Land abgeworfen hatten.

Das ist politisch ein ziemlicher Salto rückwärts. Es ist so, als ob ein Mann, der sich in ein Mädchen verliebt hat und abgewiesen wurde, nachträglich den Leuten erzählt, dass er nie wirklich Interesse an dem Mädchen hatte. Die Haltung gegenüber Syrien änderte sich, weil man in Washington gar keine andere Wahl hatte, als die eigene Haltung zu ändern. Man hat so ziemlich alles versucht, um Assad zu stürzen – und ist damit gescheitert.

Die antisyrische Propaganda, die mittlerweile praktisch nicht mehr existiert, war über Jahre hinweg unerbittlich. Uns wurde eingebläut, dass Assad die Kontrolle über das Land verloren habe und die USA und deren Verbündete könnten es nicht riskieren, dass die Terroristen von ISIS als Bedrohung dort frei herumlaufen und versuchen, in Syrien ein Kalifat zu errichten. Und dass Assad einfach nicht in der Lage sei, sie aufzuhalten. Aber jedes Mal, wenn er es versuchte, wurde er beschuldigt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Natürlich musste sich dann "Uncle Sam" engagieren, um dabei "zu helfen" ISIS – und nebenbei eigentlich Assad – loszuwerden. Und zwar ganz ohne Verbrechen gegen die Menschlichkeit, denn nur US-amerikanische Bomben sind nicht unmenschlich. Die CIA und das Pentagon investierten Milliarden von US-Dollar in die Ausbildung und Ausrüstung "syrischer Rebellen", von denen sich viele später dschihadistischen Gruppen anschlossen, darunter ISIS und al-Qaida, wobei sie ihre blitzblanken neuen Waffen mitnahmen.

Hier gibt es eine eklatante Parallele zur Ukraine, die Gefahr läuft, mit westlicher Beteiligung und unter deren Schirmherrschaft einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Schon vor dem aktuellen Konflikt hatten mit der CIA verbundene Denkfabriken die Frage aufgeworfen, wie weit rechtsextreme Elemente in der Ukraine die Kontrolle besitzen. Große westliche Medien veröffentlichten Artikel, die auf das Neonazi-Problem in der Ukraine hinwiesen. Es sieht also danach aus, als ob dasselbe Argument, das man damals gegen Assad vorgebracht hatte, eines Tages auch gegen den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij vorgebracht werden könnte – dass er nämlich die Kontrolle über sein Land an die Extremisten verloren habe. Und genau wie der Westen in Syrien islamistische Extremisten unter dem Deckmantel angeblicher Hilfe ausgebildet und bewaffnet hat, tat er in der Ukraine ebendies, indem er die Neonazi-Kämpfer von Asow ausgebildet und ausgerüstet hat.

Was aber ist letztlich mit diesen "syrischen Rebellen" passiert? Da der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kein bedrohliches Nest voller Dschihadisten direkt neben seinem Land haben wollte und genau wusste, wer diese Kämpfer tatsächlich waren, ließ er sie schließlich ausfliegen, um in einem weiteren Krieg zu kämpfen – oder zu sterben. Problem gelöst. Doch dieses Vorgehen wirft Fragen für die Zukunft der Ukraine auf. Was werden all diese vom Westen ausgebildeten Neonazis tun, wenn sich der Pulverdampf in der Ukraine gelegt hat?

Der frühere französische Geheimdienstchef Alain Juillet hat darauf hingewiesen, dass die terroristischen Unruhen in Syrien zufällig drei Wochen später ausbrachen, nachdem sich im Jahr 2011 Assad für eine iranisch-irakische Pipeline durch Syrien entschieden hatte – anstelle einer saudisch-katarische Pipeline. Die konkurrierenden Pipeline-Projekte hätten entweder Iran oder Katar die Möglichkeit geboten, Erdgas nach Europa zu liefern, wodurch die hohen Kosten für den Transport des Gases mit Tankern entfallen wäre. Der Auslöser für die Intervention in Syrien war also wahrscheinlich wirtschaftlicher Natur, so wie das normalerweise immer der Fall ist. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass der Westen Syrien schon immer unter Kontrolle bringen wollte, um dadurch Iran einzudämmen.

Doch dieser Plan schlug nicht einfach nur fehl, sondern er schlug sogar spektakulär fehl. Im Jahr 2015 forderte der damalige US-Präsident Barack Obama, der einst die Durchführung von Luftangriffen auf das Land erwogen hatte, die Verbündeten von Syrien – nämlich Russland und Iran – auf, mit den USA zusammenzuarbeiten, um "den Konflikt zu lösen". Obama erklärte:

"Wir müssen erkennen, dass es nach so viel Blutvergießen, so viel Gemetzel keine Rückkehr zum Status quo der Vorkriegszeit geben kann."

Die USA waren vom Modus des Regimewechsels dazu übergegangen, die Verbündeten Syriens "zu bitten", den USA obendrein dabei zu helfen, Assad zu beseitigen.

Sowohl Iran als auch Russland haben allerdings auf Wunsch der Regierung von al-Assad militärisch in dem Konflikt interveniert, um zur Stabilisierung des Landes beizutragen. Russland trat erstmals in den Konflikt ein, als sich die Kämpfe gefährlich nahe an den eigenen Flottenstützpunkt in Tartus bewegten. Im Grunde genommen wurde Russland hinzugezogen, um bei der Beseitigung des Chaos zu helfen, das die USA und die NATO zuvor angerichtet hatten.

Als ich im Dezember 2018 den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf seiner Jahrespressekonferenz fragte, ob der damalige US-Präsident Donald Trump mit seiner Behauptung, dass ISIS in Syrien besiegt worden sei, recht hatte, stimmte er Trump zu. Also zog Trump die im Land stationierten US-Spezialeinheiten ab und erklärte, dass die USA nur in jenen Gebieten präsent bleiben würden, wo sich das syrische Öl befindet – im Osten des Landes. "Unsere Mission ist die dauerhafte Niederlage von ISIS", sagte der damalige Pentagon-Chef und versuchte damit, die krasse Entscheidung von Trump neu zu formulieren. Ja, richtig – denn es reicht nicht, dass ISIS kein wirkliches Problem mehr ist. Uncle Sam muss in Syrien bleiben, um sicherzustellen, dass ISIS nie wieder zurückkommt. Die US-Truppen einfach nach Hause zu holen, sich bei ein paar Bierchen zurückzulehnen und abzuwarten, ob ISIS in Zukunft tatsächlich erneut ein Problem sein wird, scheint keine Option gewesen zu sein. Natürlich nicht. Nicht, wenn so viel in die Etablierung einer militärischen Präsenz im Syrien investiert wurde, die zufällig direkt über den syrischen Bodenschätzen zu liegen kam – jene Art der Präsenz, die seit mindestens 1986 Gegenstand von Plänen der CIA ist.

Ein relativer Frieden in Syrien wurde nur möglich, weil Russland bei der Beseitigung der Terroristen half. Hat Wladimir Selenskij darüber nachgedacht, wie seine eigene Zukunft aussehen könnte, wenn es Russland in der Ukraine nicht gelingen sollte, die Neonazis zu beseitigen – und dass dies vielleicht nicht einmal das Schlimmste wäre, was passieren könnte? Dem jetzigen ukrainischen Präsidenten wird von den westlich gestützten Medien bereits seine "Konsolidierung der Macht" vorgeworfen, nachdem er die Präsidentschaftswahlen abgesagt hat. Wenn Selenskij die Neonazi-Gangster nicht in den Griff bekommt – wie jene im Regionalrat von Ternopol, die damit beschäftigt sind, nach ukrainischen Nazis benannte Auszeichnungen an andere ukrainische Nazis zu vergeben –, dann ist er reif für die Assad-Therapie. Sollte Selenskij die Neonazis in seinem Land indes zu hart anpacken, dann riskiert er – wie Assad – wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt zu werden. Ein "Sieg" der Ukraine bedeutet, dass Selenskij seine Nazi-Freunde so lange abhängen lassen muss, wie sie wollen, und sie tun lassen, was sie wollen.

Der Westen hat den Poker um Syrien verloren und wird trotzdem seine Truppen nicht nach Hause holen. Vielleicht gibt es etwas Schlimmeres als einen russischen "Sieg" über die Ukraine: Westliche Dauerbesatzer, die Freundschaft als Vorwand nutzen, um im Land zu bleiben und es auszubeuten.

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Übersetzt aus dem Englischen

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Website findet man unter rachelmarsden.com

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