Europa

Vom Kosovo bis in die Ukraine: Die EU bietet keine Perspektive

Im Kosovo eskaliert ein Streit um Nummernschilder und offenbart tiefe strukturelle Probleme: In 14 Jahren ist es der EU nicht gelungen, der Region eine Perspektive zu schaffen. Aus dem Scheitern des Westens lassen sich Vorhersagen für die Zukunft der Ukraine ableiten.
Vom Kosovo bis in die Ukraine: Die EU bietet keine PerspektiveQuelle: Legion-media.ru © Steinach

Eine Analyse von Gert Ewen Ungar

Die Republik Kosovo ist die jüngste Nation auf dem europäischen Kontinent. Sie ist hervorgegangen aus dem Experiment der EU, gemeinsam mit den USA den europäischen Kontinent mit militärischer Gewalt geopolitisch neu zu gestalten. Es ist auch ein grünes Experiment, denn der damalige Außenminister Joschka Fischer (Die Grünen) hat die Kriegstrommeln für den gemeinsamen Überfall Deutschlands mit der NATO auf Jugoslawien im Jahr 1999 gerührt.

Dort drohe ein zweites Auschwitz, instrumentalisierte der erste grüne Außenminister der Bundesrepublik die Gräuel des Nationalsozialismus für seine imperialistische Idee einer Ausdehnung des westlichen Einflussbereichs auf den Balkan. Grundlage für das Bombardement der serbischen Hauptstadt Belgrad war – wie das ganz regelmäßig der Fall ist – eine Lüge. Es gab keinen Hufeisenplan, es gab keinen Genozid, es drohte kein zweiter Holocaust und es gab vor allem keinen Anlass zu Krieg. Fischer, der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Bundeskanzler Gerhard Schröder wurden für den Völkerrechtsbruch nie bestraft.

Jetzt erntet die EU, was sie gesät hat. Der noch immer schwelende, nie vollständig befriedete ethnische Konflikt im Kosovo bricht wieder auf. Die EU hat dem kaum etwas entgegenzusetzen, agiert zudem wie so oft diplomatisch extrem ungeschickt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schlägt sich unmittelbar auf die Seite des Kosovo und droht Serbien. Das ist weder klug noch diplomatisch. Allerdings ist Borrell auch weder für das eine noch das andere bekannt.

Baerbock und Borrell: diplomatisch ungeschickt

Nicht weniger ungeschickt agiert die deutsche Außenministerin. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić nennt sie Heuchlerin, nachdem Annalena Baerbock getwittert hatte, das Kosovo baue mit der Verschiebung von Kommunalwahlen Spannungen ab, während Serbien sie aufbaue.

Dass man deutsche Politiker aus dem Ausland als Heuchler bezeichnet, nimmt an Frequenz zu. Vielfach aus gutem Grund. Dass damit eine Verhaltensänderung einhergeht oder sich die öffentlich Beschimpften auch nur die Frage nach den Gründen stellen, kann man getrost vergessen. Selbstkritik ist keine Stärke dieser Bundesregierung.

Die Republik Kosovo entstand 2008 in der Folge des Angriffskrieges der NATO auf die Bundesrepublik Jugoslawien. Die Abspaltung des Kosovo und seine Unabhängigkeit sind nach wie vor umstritten. Nur etwa die Hälfte der Länder der Welt erkennt das Kosovo als unabhängig an. Der offene Bruch des Völkerrechts durch den kollektiven Westen leitete aber die Erosion der Nachkriegsordnung ein.

Der Jugoslawien-Krieg und die Erosion des Völkerrechts

Die durch internationale Verträge und Vereinbarungen geregelte Ordnung der Staaten untereinander wurde unter dem Deckmantel der "Schutzverantwortung" durch das Recht des Stärkeren ersetzt. Deutschland beteiligte sich aktiv daran. Der kollektive Westen fühlte die Fülle seiner Macht als Gewinner des Kalten Krieges und nutzte sie zur Neuordnung des europäischen Kontinents. Westlicher Hegemonie sollte alles untergeordnet werden.

Der Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien war für Russland ein Moment des Erwachens. Der Westen zeigte sein wahres Gesicht. Er war Russland in keiner Weise wohlgesonnen, war die Lehre, die man aus dem Bombardement Belgrads zog. Es war der Beginn einer erneuten Entfremdung nach einer kurzen Phase der Annäherung. Das aber nur nebenbei.

Die EU versuchte mit dem Überfall auf Jugoslawien und der Anbindung der aus dem Zerfall Jugoslawiens hervorgegangenen Teilstaaten an die EU und die NATO, Europa geopolitisch zu gestalten. Während man für den Beitritt der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes noch das Argument bemühen kann, diese seien freiwillig beigetreten, brauchte es für den Beitritt der Nachfolgestaaten Jugoslawiens die Zerschlagung des Landes durch einen Angriffskrieg.

Aber auch die EU ist in der Kosovo-Frage gespalten. Nicht alle EU-Staaten erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo an. Darunter sind Spanien, Griechenland und Rumänien. Trotz dieser unterschiedlichen Haltung zum Status des Kosovo ist die Republik Kosovo EU-Beitrittskandidat und erhofft sich für das Jahr 2030 eine Vollmitgliedschaft. Das Land ist eines der ärmsten Länder Europas und schneidet auch im internationalen Vergleich bescheiden ab. Nach Kaufkraft bereinigtem BIP lag Namibia noch vor dem Kosovo.

Schon 1999 während des Kosovo-Krieges errichteten die USA mit Camp Bondsteel eine der größten Militärbasen in Europa und demonstrierten so ihre Macht. Das Land hatte sich der westlichen Hegemonie untergeordnet. Ökonomisch bleibt es jedoch dauerhaft auf Unterstützung angewiesen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bei 30 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit noch höher. Gleichzeitig gilt das Land als hochkorrupt. Für Sozialleistungen zur Abfederung der Situation gibt die Regierung in Pristina unterdurchschnittlich wenig aus. Aus diesen Zahlen spricht die reine Perspektivlosigkeit.

Ökonomisch ohne Perspektive

Die Republik Kosovo stellt den gemeinsamen Versuch der EU und der USA dar, den europäischen Kontinent zu gestalten und ihm eine westliche Agenda aufzuzwingen. In diesen Tagen scheitert dieses Projekt.

Es ist der EU nicht gelungen, in den vergangenen 14 Jahren seit der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo zu einer wirtschaftlichen Entwicklung zu verhelfen, die das Land im Inneren stabilisiert. Die Eskalation eines Streits um Nummernschilder bis hin zu Blockaden und Massenkündigungen im öffentlichen Sektor, die das Potenzial hat, in eine militärische Konfrontation zu münden, macht dies deutlich. Gleichzeitig ist die EU nicht in der Lage, etwas zur Konfliktbefriedung beizutragen.

Das verdeutlicht ein generelles Problem westlicher Interventionen in anderen Ländern: Es gibt keine Aufbaupläne, keine Pläne für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Der kollektive Westen überfällt, zerstört, beutet aus und entlässt die Menschen in Perspektivlosigkeit und Elend. Der Westen ist in einer ökonomischen Schwächephase, die es ihm nicht erlaubt, weiter zu expandieren. Im Gegenteil kehrt sich die Entwicklung um. Der Westen verliert die Kontrolle über seine Peripherie.

Bereits der gescheiterte Einsatz in Afghanistan machte das deutlich. Nach 20 Jahren westlicher Präsenz und Demokratie-Import war das Land genauso arm wie zuvor. Auch für die Menschen im Kosovo hat sich wirtschaftlich nichts geändert. Wie in Afghanistan entstand eine korrupte politische Elite. Das vom Westen übergestülpte Konzept funktionierte in Afghanistan genauso wenig, wie es im Kosovo funktioniert.

Für das Scheitern des Westens und insbesondere der EU lassen sich aber noch andere Beispiele finden. Der Mali-Einsatz der Bundeswehr gilt als komplett gescheitert. Keines der gesteckten Ziele wurde erreicht. Auch im Irak, in Libyen und Syrien hat die westliche Allianz außer Chaos und Zerstörung keines ihrer Ziele erreicht. Nichts, was der Bevölkerung ein Bündnis mit dem Westen als in irgendeiner Weise gewinnbringend erscheinen lassen würde. Floskeln von Demokratie und Menschenrechten helfen nichts. Es braucht konkrete Entwicklungen zum Besseren für die breite Bevölkerung. Der Westen ist nicht in der Lage, diese zu initiieren.

Die Niederlage der EU

Jetzt droht eine neue Niederlage. Im Fall einer weiteren Eskalation hat sich die NATO, die mit der Kosovo-Truppe KFOR vor Ort stationiert ist, bereits einseitig gegen Serbien und die serbische Minderheit im Kosovo positioniert. Auch das ist sicherlich kein Beitrag zur Deeskalation und unklug.

Aus dem Scheitern der EU im Kosovo lassen sich darüber hinaus Vorhersagen für die Zukunft der Ukraine ableiten. Allem Anschein nach neigt sich der Krieg dort seinem Ende entgegen. Die westlichen Waffenvorräte sind erschöpft, die westlichen Ökonomien, vor allem die der EU, sind durch die Rückwirkungen der Sanktionen stark beschädigt. Dabei hatte sich die Wirtschaft der EU-Länder von den Einbrüchen durch die Corona-Krise kaum erholt. Die EU verspricht der Ukraine Unterstützung auch beim Wiederaufbau, aber es fehlen ihr dafür alle Voraussetzungen.

Die EU kann der Ukraine auch bei aller gegenteiliger Beteuerung keine Perspektive bieten. Es droht die Wiederholung des Kosovo, allerdings in einem ganz anderen Maßstab. Der Ukraine respektive dem, was von der Ukraine nach Verhandlungen mit Russland übrig bleiben wird, droht die Verelendung. Es gibt keinerlei Anlass den Versprechungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu glauben, die Ukraine könnte nach dem Ende der Kampfhandlungen prosperieren. Es gibt für diese Annahme keinerlei realistische Grundlage. Der Ukraine steht ein Schicksal wie das des Kosovo bevor.

Der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat mit Blick auf den Donbass 2015 prophezeit: "Ihre Kinder werden in Kellern sitzen, wir werden Arbeit haben, sie aber keine. Wir werden Rente bekommen, sie nicht."

Allem Anschein wird es umgekehrt sein. Ein Vergleich zwischen dem Kosovo und der prosperierenden Krim zeigt klar den Unterschied. Der Einfluss der EU geht einher mit Verfall und Verelendung. Positive Perspektiven bieten inzwischen andere Regionen der Welt.

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.